Presseaussendung

24. April 2020 | Presse

7. Jahrestag Rana Plaza: Haben Modeunternehmen nichts gelernt?

Arbeiterinen in der Textilfabrik Factory 5 in Dhaka

Wien, 24.4.2020 – 7 Jahre nach der Katastrophe von Rana Plaza in Bangladesch, bei der über 1.200 Menschen starben, wollte man meinen, die globale Bekleidungsindustrie hätte aus der Katastrophe gelernt und ihre menschenrechtlichen Hausaufgaben gemacht. Doch sowohl in Asien als auch in Europa sind Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten nach wie vor vielmehr die bestimmende Norm als die Ausnahme. NäherInnen werden gezwungen, trotz offensichtlicher gesundheitlicher Risiken in die Fabriken zu gehen und zu arbeiten, Niedrigstlöhne die fast zur Hälfte nur von Wohnkosten verschlungen werden und ein Klima, indem ArbeiterInnen kaum öffentlich über Missstände zu sprechen wagen, stehen auf der Tagesordnung. Brot für die Welt und die Clean Clothes Kampagne zeigen in ihren neuesten Rechercheergebnissen die Menschenrechtsverstöße in der Produktion von Hugo Boss, Gerry Weber, Esprit sowie von Supermarkt-, Drogerie- und Modeketten auf, die auch in Österreich bestens bekannt sind. Für den Bericht «Ausbeutung Made in Europe» wurden Zulieferbetriebe in Serbien, der Ukraine, Kroatien und Bulgarien untersucht.

„Auch in Zeiten von Krisen agieren Unternehmen nicht im rechtsfreien Raum, daran wollen wir heute – am 7. Jahrestag von Rana Plaza – besonders die Mode-, Textil- und Schuhunternehmen erinnern. Denn sie haben seit Jahren kaum etwas in ihren Lieferketten verbessert“, mahnt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne (CCK) in Österreich. Die katastrophalen Auswirkungen, die von der Clean Clothes Kampagne International täglich berichtet werden, zeigen in der gegenwärtigen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise infolge von Covid-19 in dramatischer Weise, welch enorme Verantwortungslosigkeit gegenüber ArbeiterInnen sich Regierungen und Industrie in der Bekleidungsbranche geleistet haben. Von Mindeststandards menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht, existenzsichernden Löhnen, Gesundheitsschutz, sozialer Absicherung oder Gewerkschaftsfreiheit ist die Realität bei den LieferantInnen von beispielsweise Esprit, Gerry Weber oder Handelsketten wie Aldi (Hofer) oder Deichmann weit entfernt. ArbeiterInnen in Serbien berichten über exzessive, undokumentierte Überstunden, gesetzeswidrige Urlaubspraktiken und Löhne, die unterhalb der EU-Armutsgrenze liegen.

„Wenn Du krank bist, bringst du dich besser gleich um. Du kannst dir das nicht leisten“, oder „Die Löhne sind so niedrig, dass keine Näherin etwas Geld für Notfälle, wie es jetzt einer ist, zurücklegen kann“, „Bis Januar gab es nicht einmal ausreichend Seife und Toilettenpapier, sanitäre Bedingungen sind katastrophal und im Sommer ist die Hitze (dauerhaft 38°C) unerträglich“, erzählen ArbeiterInnen etwa von Zulieferbetrieben in Kroatien. Die Verdienste von ArbeiterInnen in den untersuchten Betrieben liegen zwischen einem Fünftel und einem Drittel eines existenzsichernden Lohnes. Anhaltende Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen durch Regierungen von Produktionsländern und verantwortungslosen Unternehmen eskalieren in der gegenwärtigen Krise zu dramatischen Notlagen von ArbeiterInnen und Beschäftigten. „Modehäuser hat die Krise getroffen. Doch die Hauptlast haben gegenwärtig die letzten in der Kette zu tragen, die ArbeiterInnen“, betont Bettina Musiolek, Mitautorin der Studie.

Existenzsichernde Entlohnung, das Recht auf Gesundheit oder Gewerkschaftsfreiheit sind keine Privilegien sondern grundlegende Rechte von Menschen – weltweit. „Daher ist auch die österreichische Regierung in der Pflicht. Wir erwarten, dass sie bei der Vergabe öffentlicher Mittel zur Unterstützung von Modeunternehmen und –handelsketten in Österreich deren menschenrechtliche Sorgfaltspflicht miteinbezieht und mitbewertet“ meint Klaffenböck von CCK.

„Die Absichtserklärungen auch der hier untersuchten Modehäuser sehen nur auf dem Papier gut aus. Esprit oder Gerry Weber sind Mitglieder in freiwilligen Initiativen wie Fair Labour Association, dem deutschen Textilbündnis oder Zertifizierungsprogrammen. Trotz aller freiwilligen Brancheninitiativen und wohlklingenden Siegel hat sich die Menschenrechtssituation in den Kleiderfabriken der europäischen Billigproduktionsländer nicht verbessert.“, betont Studienautorin Musiolek weiter.

Zudem fordert die CCK gemeinsam mit den HerausgeberInnen der Studie, dass die auf dem österreichischen Markt tätigen Modeunternehmen und Handelsketten sich bei ihren Zulieferbetrieben stärker engagieren. In der jetzigen Coronakrise heißt dies ergangene Aufträge fristgerecht zu bezahlen, Lieferanten dabei zu unterstützen, sichere Arbeitsplätze und sicheren Transport zum Arbeitsplatz zu gewährleisten sowie sichere Abstände und Schutzausrüstung bereitzustellen. Keinen erzwungenen unbezahlten Urlaub und das Recht gesundheitsschädliche Arbeit abzulehnen, Einkaufspreise, die ordnungsgemäße Lohnzahlungen einschließen und die Bezahlung von ausstehenden Forderungen.

Weitere Informationen:

 

Rückfragehinweis:
Theresa Gral, Südwind Pressesprecherin, +43 650 375 1987, theresa.gral@suedwind.at
Gertrude Klaffenböck, Clean Clothes Kampagne Koordinatorin, +43 676 4460833, gertrude.klaffenboeck@su

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