Presseaussendung

11. Juni 2018 | Presse

Bittersüße Schokolade. Kakaoplantagen statt Schule für 2 Mio. Kinder in Westafrika

Wien, 11. Juni 2018 – Rund eine Million Kinder besuchen in Österreich die Schule. Doppelt so viele Kinder arbeiten allein in Ghana und in der Elfenbeinküste auf Kakaoplantagen. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) sind es weltweit rund 85 Mio. Kinder, die unter ausbeuterischen Bedingungen in Steinbrüchen, auf Elektro-Müllhalden oder Kakaoplantagen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Am weltweiten Aktionstag gegen Kinderarbeit, dem 12. Juni, fordert die Menschenrechtsorganisation Südwind ein Ende der Ausbeutung und eine gerechte Entlohnung der Kakaobauern und -bäuerinnen. „Bekämpft man die Armut, bekämpft man die Ausbeutung von Kindern”, sagt Caroline Sommeregger, Kakao-Expertin von Südwind. Als Orientierungshilfe für KonsumentInnen veröffentlicht Südwind und die Umweltorganisation GLOBAL 2000 einen Schokoladen-Check. Ein Ampelsystem informiert über die ökologische und soziale Qualität von 27 Schokolade-Tafeln. 

Kinder auf Kakaoplantagen 
Das Ernten und das Spalten der Kakaofrüchte, um an die Kakaobohnen zu kommen, erfordert den Einsatz von für Kinder gefährlichen Geräten, wie Buschmesser bzw. Macheten. Auf den Plantagen sind Kinder gefährlichen Pestiziden und Düngemitteln ausgesetzt. Als „schlimmste Form von Kinderarbeit” wird die Beschäftigung von Kindern auf Kakaoplantagen auch von den Regierungen von Ghana und der Elfenbeinküste eingestuft. Kein Kind unter 18 Jahren sollte aus Sicht der Regierungen in diesem Sektor beschäftigt sein, auch nicht auf Familienbetrieben. 

Schoko-Check 
Südwind und GLOBAL 2000 appellieren an Supermärkte und Markenfirmen ihre Schokoladen auf Bio und FAIRTRADE umzustellen, um die Ausbeutung von Kindern einzudämmen. 27 Schokolade-Tafeln unterschiedlicher Marken wurden in österreichischen Supermärkten gekauft und beim Schokoladen-Check 2018 auf ihre ökologische und soziale Qualität getestet. Testsieger wurden die Schokoladentafeln „CARIÑO Zartbitter“ von EZA, „free from Bio-Vollmilch-Schokolade“ sowie „Premium Zotter“ von Spar, „Bio-Vollmilchschokolade mit ganzen Haselnüssen“ von Ja! Natürlich und „Fairglobe Bio-Vollmilch-Schokolade“ von Lidl. Zwölf weitere Schokolade-Tafeln konnten entweder aufgrund ihrer sozialen oder ökologischen Verträglichkeit positiv, also mit grün bewertet werden. Sechs sind nur unzureichend zertifiziert und wurden mit orange bewertet. Vier der Schokolade-Tafeln wurden, aufgrund der fehlenden Zertifizierung und der prekären Umwelt- und Produktionsbedingungen im konventionellen Kakaoanbau, als sozial und ökologisch bedenklich eingestuft. 

Unternehmenseigene Nachhaltigkeitsinitiativen der Schokolade-Anbieter wurden nicht positiv bewertet, da sie nicht unternehmensunabhängig definiert und kontrolliert sind.

„Wir freuen uns über das Plus an bio-fairen Schokoladen in den Supermarktregalen. Leider sind aber viele noch unzureichend oder gar nicht zertifiziert”, sagt Sommeregger. „Gerade die großen Marken stehen hier in der Verantwortung aber auch Supermärkte sollten ihre bio-fairen Produkte leichter zugänglich machen und nicht die einzige bio-faire Schokolade nur bei den laktosefreien Produkten anbieten.”

Wenige Cent fehlen für einen Schulbesuch 
Die negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Kakaoproduktion sind auf den geringen Preis zurückzuführen den Bäuerinnen und Bauern für ihre Ware bekommen. Dabei spiegeln die unterschiedlichen Preise am Supermarktregal nicht unbedingt höhere oder niedrigere Kosten beim Rohstoffeinkauf wider. Hier spielen viele andere Faktoren eine Rolle – wie etwa die Vermarktungsstrategie. Im Einkauf selbst machen oft wenige Cent mehr pro Kilo Rohstoff den Unterschied, ob eine Bauernfamilie ihre Kinder in die Schule schicken kann oder nicht. 

Abschaffung der Kinderarbeit bis 2020 
2001 haben sich alle großen Schokolade-Unternehmen auf die Abschaffung von Kinderarbeit im Kakaoanbau geeinigt; festgeschrieben im Harkin-Engel-Protokoll. 2020 soll laut dem Abkommen kein Kind mehr unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auf Kakaoplantagen arbeiten. Noch immer arbeiten über 2 Mio. Kinder alleine in Ghana und in der Elfenbeinküste im Kakaoanbau. „Die Unternehmen müssen jetzt handeln. Bis 2020 sind es nur mehr 18 Monate und 18 Tage“, fordert Sommeregger.

Bildmaterial 
Druckfähige Fotos und Grafiken zum honorarfreien Abdruck unter Angabe des Copyrights zum Download HIER

Hintergrundinformationen zum Download

Rückfragehinweis 
Caroline Sommeregger, Kakao-Expertin von Südwind, caroline.sommeregger@suedwind.at, +43 680 144 3787 
Michaela Königshofer, Südwind Pressesprecherin, michaela.koenigshofer@suedwind.at, +43 664 2309883

Wien, am 05. April 2024. Im Vorfeld der informellen Tagung der EU-Agrarminister:innen von 07. bis 09. April warnt Südwind vor einer gefährlichen Verzögerung der bereits in Kraft getretenen EU-Entwaldungsverordnung. Nach der Blockade des EU-Renaturierungsgesetzes (Nature Restauration Law) und des EU-Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) startete nach Wirtschaftsminister Kocher nun der nächste österreichische Minister im Alleingang einen Angriff auf die EU-Umweltgesetzgebung. In einem Brief an die EU-Kommission Ende März forderte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, mitten in der Umsetzungsphase, dass Österreich von den Regeln der EU-Entwaldungsverordnung ausgenommen wird und folgt damit den Forderungen von Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger. Südwind kritisiert das Vorgehen des Bundesministers scharf und fordert eine umgehende Umsetzung der Verordnung und effektiven Waldschutz auch in Österreich.

“Die Verordnung ist das Ergebnis eines jahrelangen demokratischen Gesetzgebungsprozesses und damit ein Kompromiss zwischen allen Mitgliedsstaaten, der Industrie, den Produzenten-Ländern und etlichen Interessengruppen. Es ist hochproblematisch, wenn die Umsetzung einer neuen Verordnung auf Zuruf von Wirtschaftsvertretern einfach ignoriert wird ”, sagt Maria Hammer, Südwind-Sprecherin für Waldschutz. “Die Entwaldungsverordnung ist das stärkste vorhandene Instrument im globalen Waldschutz und ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise.”

Entwaldung ist global gesehen die zweitgrößte Ursache von CO2-Emissionen. Gleichzeitig schwinden ökologisch intakte Naturwälder im Rekordtempo. Vor allem indigene Menschen, die sich in den betroffenen Regionen wie etwa Südamerika, Südosteuropa oder Skandinavien gegen die Waldzerstörung zur Wehr setzen, sind oft mit Repressionen und Gewalt konfrontiert.

“Die kürzlich vonseiten der Landwirtschaftskammer und Bundesminister Totschnig angekündigte Blockade ist völlig unzulässig. Österreich muss mit gutem Beispiel vorangehen und ausreichende Mittel für Kontrollbehörden und eine strenge Durchsetzung sicherstellen”, fordert Südwind-Expertin Hammer. „Die österreichische Holzlobby versucht nun offenbar mit Halbwahrheiten ein wichtiges Klima- und Waldschutzgesetz zu verhindern, das sie eigentlich längst umsetzen sollte. Die österreichische Bundesregierung steht hier ebenso wie alle anderen Länder in der Pflicht, sich gegen die globale Waldzerstörung einzusetzen.”

Verheerendes Signal für globale Spielregeln
Der Vorschlag Österreichs, strenge Waldschutzgesetze nur für Länder des Globalen Südens gelten zu lassen, nicht aber innerhalb Europas, stellt die internationale Zusammenarbeit auf eine harte Probe und sendet ein verheerendes Signal an globale Märkte, Unternehmen und Staaten aus. Gleichzeitig werden ausgerechnet jene Unternehmen bestraft, die bereits, wie vorgesehen, an einer starken Umsetzung der Entwaldungsverordnung arbeiten.

Viele der vom Bundesminister vorgebrachten Argumente halten einem Faktencheck nicht stand: So gelten etwa in Europa kahlgeschlagene Wälder weiterhin als Wälder. Das von Landwirtschaftsminister und -kammer vorgebrachte Argument, der anwachsenden Waldfläche täuscht somit über Übernutzung und Waldschäden hinweg. Auch der behauptete Mehraufwand für Waldbesitzer:innen muss kritisch hinterfragt werden.

Südwind richtet daher gemeinsam mit Global 2000 einen offenen Brief an Bundesminister Totschnig und fordert die rasche und wirksame Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung.

 

Rückfragehinweis:

Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
0650 96 77577
vincent.sufiyan@suedwind.at

Maria Hammer
Südwind-Sprecherin für Waldschutz
+43 1 405 55 15 – 326
maria.hammer@suedwind.at

Download: Hintergrund zur Blockade der EU-Entwaldungsverordnung 
Download: 
Offener Brief an Bundesminister Norbert Totschnig von Südwind und Global2000 – unterzeichnet von 37 Nicht-Regierungsorganisation aus 15 EU-Mitgliedstaaten und anderen Nicht-EU-Ländern:

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