Volle Gemüseregale für niedrigste Löhne

Frischer Spargel, süße Erdbeeren, knackiger Salat und sonnengereifte Tomaten. Dass Obst und Gemüse das ganze Jahr über in riesiger Auswahl verfügbar ist, ist für uns längst normal. Die Kehrseite: Erntehelfer:innen aus aller Welt müssen dafür 15-Stunden-Tage ertragen, in Baracken leben und werden mit Löhnen weit unter dem Mindestlohn abgespeist. In ganz Europa arbeiten jedes Jahr rund eine Million Erntearbeiter*innen unter diesen prekären Bedingungen. Während der Handel satte Gewinne einstreicht, bekommen die Arbeiter:innen davon kaum etwas ab.

Sie schuften in riesigen Gewächshäusern im spanischen Almería, auf Tomatenfeldern in Apulien oder auf dem Tiroler Radieschenfeld. Das Diktat des „immer mehr, immer billiger“ hat ein System der Lohnsklaverei hervorgebracht, das an früh-industrielle Zeiten erinnert. Mitten in Europa.

„Ich habe auf Feldern in Spanien und Frankreich gearbeitet. Der Vermittler versprach viel mehr Lohn, als wir bekamen – und davon mussten wir noch für Unterkunft und Transport zur Arbeit bezahlen. Als das Wetter schlecht war, wurden wir gar nicht abgeholt und bekamen keinen Lohn.“ (Cristiano, Erntearbeiter aus Bolivien)

Das muss nicht so sein. Für Südwind ist klar, dass es dringend Änderungen braucht! Wir decken Missstände rund um den Globus auf und fordern von den politisch Verantwortlichen eine nachhaltige Agrarwende: Die menschenverachtenden Zustände in der Landwirtschaft müssen sich endlich ändern!

Auf EU-Ebene wird seit Jahren verhandelt, ob Förderungen für die Landwirtschaft an die Einhaltung sozialer und arbeitsrechtlicher Standards geknüpft sein sollen. Die Situation von hundertausenden Erntearbeiter.innen würde sich dadurch schlagartig verbessern. Doch eine solche Reform der gemeinsamen Agrarpolitik lässt leider immer noch auf sich warten.

Arbeitsbedingungen – mitten in Österreich!

Euro pro Stunde

Stunden Arbeit am Tag

„Die Arbeit dauerte 13, 15, 17 Stunden am Tag. Alle zwei bis drei Monate kam es vor, dass wir sogar 24 Stunden arbeiteten, ohne Schlaf“, erzählt die Rumänin Violeta, die auf einem Hof Kraut geerntet hat. Nettolohn: 3,50 Euro pro Stunde. Gewohnt haben sie und ihr Mann im Keller. Wo in Rekordzeit und im großen Stil Obst und Gemüse geerntet werden, sind solche Arbeitsbedingungen keine Ausnahme, sondern die Regel – mitten in Österreich.

Leben unter dem Minimum

Die Lage vieler Erntearbeiter*innen ist katastrophal. Sie bekommen unseriöse Verträge weit unterhalb des Mindestlohns vorgelegt, deren Details sie oft nicht verstehen. Sie bekommen unseriöse Verträge weit unterhalb des Mindestlohns vorgelegt, deren Details sie oft nicht verstehen. Monatsarbeitszeiten von bis zu 420 Stunden sind während der Hauptsaison keine Ausnahme. Die Behausungen sind ärmlich und oft wird vom lächerlich niedrigen Lohn auch noch Geld für Miete, Strom, Waschmaschinenbenutzung oder sogar Arbeitswerkzeug abgezogen.

Ausbeuterische Praxis

Österreich verfügt zwar über ein Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, die Handhabe ist jedoch viel zu lasch und die Kontrollen löchrig. Strafzahlungen werden oftmals von Betrieben in Kauf genommen, nachdem sie niedriger sind als die Kosten für Sozialabgaben und faire Löhne. Die meisten Erntearbeiter:innen in Österreich kommen aus Osteuropa (Rumänien, Ukraine, Serbien, Bulgarien, Ungarn oder Slowakei) und bleiben sechs bis neun Monate pro Jahr bei den jeweiligen Betrieben. Die Arbeiter:innen bekommen jedes Jahr einen neuen Vertrag, fallen um ihren Pensionsanspruch um und haben kaum Chancen auf Arbeitslosengeld. Oft werden Menschen in Teilzeit angestellt, um sie dennoch Vollzeit arbeiten zu lassen.

„Einen Arbeitsvertrag haben wir nicht (…), der Chef ließ uns aber immer wieder unausgefüllte Papiere unterschreiben.“ (E., Erntearbeiterin aus Rumänien)

Bei Ausbeutung von Erntearbeiter:innen verweist die Politik gerne auf einige wenige „schwarze Schafe“.

Dabei ist viel eher das ganze System ausbeuterisch. Südwind kennt die Problemlage aufgrund zahlreicher Recherchen. Schon lange beherrschen einige wenige Handelsriesen den Markt.

In Österreich diktieren Rewe, Spar, Lidl und Hofer die Preise und streichen satte Profite ein, während sie ihre Lieferant:innen aus der Landwirtschaft zwingen, immer mehr, immer billiger zu liefern. 

Um überhaupt noch mit Gewinn produzieren zu können, drücken dann auch die landwirtschaftlichen Betriebe die Preise – auf Kosten der Erntearbeiter:innen. Ausbeutung und Lohnraub als Unternehmenskonzept also – vom schönen Tirol bis ins fruchtbare Marchfeld, von Almería bis zu den Bananenplantagen Ecuadors. 

Subventionierte Ausbeutung

Ein Systemwandel muss ansetzen, bei den Standards, die wir einfordern. Es braucht dringend arbeitsrechtliche Standards in der Landwirtschaft zusätzlich zu hohen ökologischen Standards und Klimaschutz. Es braucht flächendeckende Kontrollen für die Einhaltung und eine Garantie der Rechte von Erntearbeiter:innen. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU muss so ausgestaltet werden, dass Landwirt:innen und Landarbeiter:innen ein gerechteres, menschenwürdiges Auskommen garantiert wird. Subventionen dürfen nicht in Ausbeutung fließen, sondern müssen einen Wandel hin zu einem ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft unterstützen.

  Für ein gerechtes Ernährungssystem!​

Mit Ihrer Spende setzen wir uns für faire Arbeitsbedingungen ein.

Italien:

Teufelskreis Tomate:

Ein Paradebeispiel für die unsägliche Verflechtung von Lohnsklaverei, Migration, Agrarsubventionen und Freihandel ist der Tomatenanbau in Apulien, wo 50 Prozent aller italienischen Tomaten herkommen.

Viele Flüchtlinge aus Ghana arbeiten hier um einen Hungerlohn von nur 2,50 Euro pro Stunde. Sie schlafen in Ghettos, manchmal vierzig in einem Raum. Sie pflücken jene Tomaten, die später in ihre Heimat exportiert werden und dort die Existenz der Tomatenbäuerinnen und -bauern zerstören.

Auf den Märkten in Ghana werden kaum mehr einheimische Tomaten verkauft. Es handelt sich um eine mit EU-Mitteln finanzierte Negativspirale: Tomaten werden in Italien angebaut, mit Hungerlöhnen durch afrikanische Flüchtlinge gepflückt, um sie dann nach Afrika zu exportieren, wo sie die Preise der lokalen Landwirtschaft zu Tode drücken. Man trifft also in Apulien auf jene Flüchtlinge, die die gefährliche Reise übers Mittelmeer auf sich genommen haben, um zu tun, was sie zu Hause nicht mehr können: Tomaten pflücken.

SEZONIERI – faire Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft!

In der SEZONIERI-Kampagne engagieren sich ehrenamtliche Aktivist*innen gemeinsam mit der PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) und vielen NGOs, darunter auch SÜDWIND, gegen die Ausbeutung in der österreichischen Landwirtschaft.

Das Ziel: Erntearbeiter*innen über ihre Rechte informieren, sie bei deren Durchsetzung unterstützen und darauf achten, dass wenigstens die bestehenden rechtlichen Regeln, insbesondere bei Bezahlung, menschenwürdiger Behandlung sowie Arbeitsschutz eingehalten werden.

Die Kampagne arbeitet mit mehrsprachigem Informationsmaterial und -videos, Infotelefon, direkter Kontaktaufnahme zu den Arbeiter*innen auf den Feldern, Rechtsberatung sowie Medien- und Bildungsarbeit.