Fallbeispiel Madagaskar
Seltene Erden sind kaum nachverfolgbar
Seltenerdmetalle wie Lanthan, Promethium oder Ytterbium stecken unter anderem in unseren Handys und Laptops und kommen in Medizintechnologie bis hin zu Militärtechnik zum Einsatz. Die Nachfrage steigt stetig und könnte sich bis 2050 laut EU-Kommission verzehnfachen. Doch Abbau und Weiterverarbeitung haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit und die Rechte der Menschen vor Ort. Vom Abbau bis zur Raffinerie von Seltenerdmetallen werden enorme Mengen an Wasser und Energie verbraucht und eine große Menge Treibhausgase freigesetzt.
Probebohrungen ohne Zustimmung der Bevölkerung
Ein umkämpfter Schauplatz im Rennen um Seltene Erden ist die Halbinsel Ampasindava im Nordwesten Madagaskars. Dort sind seit 2009 dort Planungen und Probebohrungen im Gange. Aufgrund mangelnder Mitsprachemöglichkeiten und der absehbaren Auswirkungen auf ihre Lebensumstände formte sich Widerstand innerhalb der lokalen Bevölkerung. Würde die Mine in Vollbetrieb gehen, fürchten die vielfach in der Landwirtschaft tätigen Menschen den Verlust ihres Zugangs zu Land und damit ihrer Lebensgrundlage.
Das Projekt würde eine Gesamtfläche von 7.000 Hektar belasten. Für Bohrlöcher, Auffangbecken und Minen-Infrastruktur samt Zufahrtsstraßen müssten auf einem Drittel der Fläche Wälder gerodet und Ackerflächen vernichtet werden. Hinzu kommen zu chemischen Verunreinigungen von Böden und Gewässern. Landwirt:innen fürchten daher um ihre Ländereien damit und ihre Lebensgrundlage. Das Projekt ist außerdem direkt neben einem Naturschutzgebiet geplant. Dort befinden sich seltene Pflanzen- und gefährdete Tierarten.
Widerstand verzögert Projektstart
Die Südwind-Partnerorganisationen CRAAD-OI und WoMin begleiten und unterstützen den Widerstand der lokalen Bevölkerung seit Jahren.
Bis dato wurde keine vollständige Abbau-Lizenz erteilt. Von Beginn an gab es kaum Mitbestimmung und Transparenz bei dem Projekt. Die Firma Tantalum Rare Earth Madagascar (TREM) begann in den Jahren 2011 bis 2014 teils ohne Zustimmung der ansässigen Bevölkerung mit Probebohrungen.
Den Erfolg des Widerstands führen die Organisationen darauf zurück, dass vor Ort immer mehr Menschen über das Thema informiert waren und öffentlich Stellung bezogen. Auch internationale Aktionen, wie beispielsweise Briefe an Investor:innen, hätten dazu geführt, dass das Projekt an finanzieller Rückendeckung verlor. Dennoch gibt es laut CRAAD-OI weiterhin Treffen zwischen Bergbau-Unternehmen und Regierungsbehörden.
Klare Regeln für gerechte Rohstoffpolitik notwendig
Der große Bedarf an Seltenerdmetallen im Globalen Norden erhöht den Druck für neue Bergbauprojekte. Für eine gerechte Rohstoffpolitik braucht es daher in erster Linie eine konsequente Verringerung des Rohstoffverbrauchs: Die Nachfrage muss sinken. Österreich hat sich selbst in der 2022 veröffentlichten Kreislaufwirtschafts-Strategie das ambitionierte Ziel gesetzt, den Materialfußabdruck auf 7 Tonnen pro Person zu reduzieren.
Zentral ist somit die Frage, in welchen Branchen die kritischen Rohstoffe eingesetzt werden sollen: Nicht jeder Anwendungsbereich von Seltenerd-Metallen hat den gleichen gesellschaftlichen Nutzen. Für eine global gerechte Rohstoffpolitik sind Sektor-spezifische Verbrauchs- und Reduktionspläne unerlässlich. Denn einerseits werden Seltene Erden zwar für erneuerbare Energietechnologien gebraucht, andererseits wurden noch 2019 mehr als die Hälfte des Neodyms in Autos mit Verbrennungsmotor verbaut.
Bei jedem Bergbauprojekt, das dennoch notwendig ist, muss die freie, vorherige und informierte Zustimmung der lokalen Bevölkerung eingeholt werden. Gerade in den Abbauregionen des Globalen Südens braucht es seriöse Umweltverträglichkeitsprüfungen und einen demokratischen Interessenausgleich. Außerdem müssen Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferkette verpflichtet werden – bis hin zu ersten Stufe: der Rohstoffgewinnung. Deshalb setzt sich Südwind für eine verbindliche Konzernhaftung im Sinne von Lieferkettengesetzen ein.