Presseaussendung

17. November 2021 | Presse

Südwind: EU-Einfuhrgesetz gegen Waldzerstörung hat noch große Mängel

Bananenplantage in Ecuador

Wien / Brüssel, am 17. November 2021. Die Europäische Union ist nach China weltweit zweitgrößter Importeur von Produkten, die durch Anbau und Herstellung Tropenwälder zerstören. Der heute, Mittwoch, veröffentlichte EU-Gesetzesentwurf zum Schutz globaler Wälder sollte diesbezüglich einen Wendepunkt markieren. Für die Menschenrechtsorganisation Südwind enthält der neue Gesetzesentwurf zwar erste wichtige Schritte für eine verbindliche Konzernverantwortung. Für eine echte Trendwende bleiben die Lücken aber zu groß. „Die Einhaltung der Menschenrechte beim Handel von Tropenprodukten wird im aktuellen Gesetzesentwurf nicht garantiert. Damit wird die Lebensgrundlage vieler Menschen gefährdet, weil weder die Rechte indigener Communities noch die Landnutzungsrechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern berücksichtigt werden“, analysiert Joachim Raich, Waldschutzexperte bei Südwind. „Für den Schutz von Tropenwäldern hat der Gesetzesentwurf das Potenzial zum Meilenstein. Dafür muss er aber noch umfassend nachgebessert und Schlupflöcher für Unternehmen geschlossen werden.“ Auch viele Produkte in Österreichs Supermarktregalen haben Anteil an der Abholzung der Tropen, darunter Schweinefleisch, für das tonnenweise Soja-Futtermittel importiert wird, sowie Schokolade, Kakao und Kaffee. Südwind fordert daher von Umweltministerin Leonore Gewessler und Landwirtschafts- und Forstministerin Elisabeth Köstinger ein ambitioniertes Vorgehen gegen den Raubbau von Tropenwäldern und vollen Einsatz für die Nachschärfung des EU-Gesetzes.

Ein großes Versäumnis des EU-Gesetzesentwurfs sieht Südwind darin, dass die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards für Unternehmen, die mit Tropenprodukten handeln, nicht vorgeschrieben ist. „Der Anbau unserer Alltagsprodukte geht oft einher mit Vertreibung und Gewaltverbrechen. Die EU-Staaten hätten durch strenge Importbestimmungen einen wichtigen Hebel gegen diese Vergehen in der Hand“, sagt Südwind-Experte Joachim Raich. „Stattdessen wird nur die Einhaltung der national relevanten Gesetze vorgeschrieben. Die zunehmende Gewalt und die oft mangelhafte Strafverfolgung bei Morden an Umweltaktivistinnen zeigen, dass das nicht ausreicht. Allein im Vorjahr wurden 227 Umweltaktivistinnen und -aktivisten ermordet, 20 davon in Brasilien.“

Ein weiterer Mangel ist die fehlende Berücksichtigung anderer tropischer Ökosysteme abgesehen von Wäldern. „Savannen und Feuchtgebiete sind nicht minder wichtig für Biodiversität und Klima. Wenn das Gesetz mit diesem großen Schlupfloch umgesetzt wird, droht eine Verlagerung des Problems“, sagt Joachim Raich. „Daher braucht es eine genaue und lückenlose Rückverfolgbarkeit aller Produkte sowie eine Berücksichtigung aller Ökosysteme.  Das würde ein starkes Signal senden für das im Dezember angekündigte  allgemeine EU-Lieferkettengesetz, das die Unternehmen ebenso in die Pflicht nehmen muss, Menschenrechte und Umwelt in ihren Lieferketten zu schützen.“

Der Gesetzesentwurf sieht eine „Sorgfaltsprüfung“ für alle Unternehmen vor, die auf dem EU-Markt tätig sind. Diese müssen nachweisen, dass die Rohstoffe, die sie auf den EU-Markt bringen, legal produziert wurden und keine Abholzung von Tropenwäldern verursacht haben. Ein wichtiger Punkt ist, dass sich die Unternehmen laut neuem Gesetz nicht auf Zertifizierungssysteme verlassen können, um die Abholzungsfreiheit nachzuweisen. Stattdessen können nur durch genaue Rückverfolgbarkeit der Produkte bis zum Ursprungsort Abholzungsrisiken festgestellt werden. Unternehmen, die keinen Nachweis erbringen, würden haftbar gemacht werden. Das Gesetz würde damit einen maßgebenden Schritt weg von der fehlgeschlagenen freiwilligen Selbstverpflichtung markieren und hin zu einem strengen Rechtsrahmen gegen Ausbeutung und Naturzerstörung durch Unternehmen.

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